Kommentar zum Referentenentwurf für das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)
Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG) veröffentlicht. Geschäftsführer Michael Jansen, der auch viele Jahre als Ausbilder und Personalentwickler bei unterschiedlichen Krankenkassen und GKV-Bildungseinrichtungen tätig war, konnte inzwischen einen ersten Blick auf die geplanten Änderungen werfen. Er stellt nachfolgend einige geplante Neuregelungen vor.
Geplante Neuregelungen im Leistungsrecht des SGB XI
Die Zusatzzahlung für Fristversäumnisse nach § 18c SGB XI wird von bislang 70 Euro je angefangene Woche auf künftig 80 Euro angehoben. Darüber hinaus sieht das Gesetz einige Klarstellungen für den Fristverlauf vor. Diese Regelung wird vermutlich 3 Kalendermonate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.
Ab Anfang 2024 sind dann weitere Änderungen bei den SGB-XI-Leistungen geplant.
Vom 01.01.2025 an sollen die Leistungsbeträge dann nochmals um 5 % erhöht werden.
Wesentliche Änderungen sind darüber hinaus bei der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu erwarten. Diese beiden Leistungen wachsen noch stärker zusammen, was nicht zuletzt durch einen neuen gemeinsamen Jahresbetrag (neuer § 42a SGB XI) in Höhe von 3.386 Euro deutlich wird. Die bisher erforderliche Vorpflegezeit von 6 Monaten für die Verhinderungspflege fällt weg, sodass Verhinderungspflege auch schon unmittelbar zu Beginn eines Pflegefalles in Anspruch genommen werden kann. Kurzzeit- und Verhinderungspflege können künftig bis zu 8 Wochen in Anspruch genommen werden. Für diesen Zeitraum wird dann auch das hälftige Pflegegeld weitergezahlt.
Bei Verhinderungspflege wird eine Anzeigepflicht der Leistungserbringer gegenüber der Pflegekasse eingeführt, damit das Budget nach den §§ 39 und 42 SGB XI stets zeitnah geprüft werden kann.
Die in § 43c SGB XI genannten Prozentsätze für den erweiterten Zuschuss während der vollstationären Pflege werden ebenfalls erhöht.
Für die Pflegekassen entsteht durch den Gesetzentwurf noch eine wesentliche Änderung in ihrer Informationspflicht. So wird den Versicherten auf Wunsch regelmäßig jedes Kalenderhalbjahr eine Übersicht über die Leistungen, die sie in Anspruch genommen haben, und deren Kosten übermittelt. Auf Anforderung erhalten Versicherte von den Pflegekassen Auskunft darüber, welche Leistungsbestandteile im Einzelnen durch Leistungserbringende zur Abrechnung bei der Pflegekasse eingereicht worden sind. Laut Gesetzesbegründung muss der/die Versicherte den Antrag auf Unterrichtung nur einmalig stellen, um die oben genannten Informationen dann künftig regelmäßig zu erhalten.
Obwohl der Gesetzentwurf einige Mehrarbeiten für die Pflegekassen vorsehen, wird der Verwaltungskostenanteil gesenkt (Mittelwert der Leistungsausgaben von 3,2 auf 3 %).
Änderungen im Beitragsrecht
Erhebliche Mehraufwände dürften auch mit den Änderungen im Beitragsrecht verbunden sein.
So gilt ab dem 01.07.2023 für die Pflegeversicherung ein Beitragssatz von 3,4 % sowie ein Zuschlag für Kinderlose von 0,6 %. Dieser Zuschlag reduziert wie folgt:
- für Eltern mit zwei Kindern um einen Abschlag in Höhe von 0,15 %,
- für Eltern mit drei Kindern um einen Abschlag in Höhe von 0,3 %,
- für Eltern mit vier Kindern um einen Abschlag in Höhe von 0,45 % und
- für Eltern mit fünf und mehr Kindern um einen Abschlag in Höhe von 0,6 %.
Die Elterneigenschaft sowie die Anzahl der Kinder sind in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle (Anmerkung: z. B. dem Arbeitgeber) von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind. Hier ist von einem recht hohen Verwaltungsaufwand auszugehen.
Digitalisierung in der Pflege
Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen haben bis zum 01.07.2024 alle Voraussetzungen zu erfüllen, um den Zugriff auf die elektronische Patientenakte und den Anschluss an die Telematikinfrastruktur nach § 306 SGB V umzusetzen.
Bisher bestand für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, sich freiwillig an die Telematikinfrastruktur anzubinden. Für Erbringer von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) sowie der außerklinischen Intensivpflege (§ 37c SGB V) gilt, dass diese sich bis zum 01.01.2024 an die TI anzuschließen haben, um Verordnungen elektronisch abrufen zu können. Mit dieser Regelung wird nun für alle ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen die Anbindung an die TI verpflichtend geregelt.
Die Finanzierung der für die Anbindung an die TI entstehenden Kosten ist in § 106b SGB XI geregelt. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, die von der Möglichkeit zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur Gebrauch machen, erhalten von der Pflegeversicherung eine Erstattung der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten und der laufenden Betriebskosten. Die Frist für die verpflichtende Anbindung an die TI wird laut Referentenentwurf auf den 01.07.2024 gesetzt, um so zeitnah alle Pflegeeinrichtungen an die TI anzuschließen.
Was sagen die Krankenkassenverbände?
In seiner Stellungnahme vom 6 März 2023 stellt der BKK Dachverband fest: Der vorliegende Entwurf entspricht nicht den Erwartungen an einem großen Wurf mit Blick auf eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung. Aus Sicht des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) greift der vorliegende Entwurf für ein Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) zu kurz und erfüllt nicht die selbstgesteckten Ziele der Ampelkoalition für eine umfassende nachhaltige Finanzreform der Sozialen Pflegeversicherung (SPV). Der IKK e.V. sieht unter anderem den anfallenden Verwaltungsaufwand bei der Ermittlung der Anzahl der Kinder in einer Elterngemeinschaft nach § 55 Satz 3 kritisch und noch nicht ausreichend durch den Gesetzgeber präzisiert.