Neue Herausforderungen für Pflegekassen durch das PUEG
Im folgenden Artikel stellt Michael Jansen, Geschäftsführer der atacama KV Software GmbH & Co. KG, die Änderungen des Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG) dar, die sich Stand 26. Mai 2023 gegenüber dem Referentenentwurf ergeben haben.
Neuregelungen im Leistungsrecht des SGB XI
Die Rechtsgrundlagen für die Begutachtung und Bescheiderteilung (§§ 18ff SGB XI) werden umstrukturiert. Dadurch können die Regelungen zum Verfahren der Begutachtung aus Sicht des Gesetzgebers systematisch aufbereitet werden und sind für die Hauptnutzergruppen (Versicherte und ihre Angehörigen, die Pflegekassen und die Medizinischen Dienste) klarer geordnet und besser verständlich.
Im Wesentlichen werden folgende Änderungen vorgenommen:
- Die Übermittlung der Aufträge an den MD erfolgt künftig verpflichtend in gesicherter elektronischer Form spätestens am 3. Arbeitstag nach Eingang des (formlosen) Antrags bei der Pflegekasse
- Es wird bundeseinheitlich durch Richtlinien des MD und des GKV-Spitzenverbandes festgelegt, welche Unterlagen für eine Begutachtung – und damit auch für die Mitwirkungspflichten – erforderlich sind
- Die verkürzten Begutachtungsfristen werden geändert, und zwar von 1 Woche auf 5 Arbeitstage bzw. von 2 Wochen auf 10 Arbeitstage
- Die Pflegekasse hat die Antragsteller*innen künftig auch auf von Gutachter*innen empfohlene Heilmittel hinzuweisen und ggf. auch den behandelnden Arzt bzw. Ärztin zu informieren, sofern der oder die Pflegebedürftige einwilligt
- Die Zusatzzahlung für Fristversäumnisse wird weiterhin 70 Euro je angefangene Woche betragen.
Ab Anfang 2024 sind dann weitere Änderungen bei den SGB-XI-Leistungen geplant.
Vom 01.01.2025 an sollen die Leistungsbeträge dann nochmals um 4,5 % erhöht werden.
Wesentliche Änderungen sind darüber hinaus bei der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu erwarten. Diese beiden Leistungen wachsen noch stärker zusammen, was nicht zuletzt durch einen neuen gemeinsamen Jahresbetrag in Höhe von 3.386 Euro deutlich wird.
Bereits zum 01.01.2024 kann die Verhinderungspflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 und 5, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, um 100 % der Mittel der Kurzzeitpflege erhöht werden, soweit diese Mittel noch nicht aufgebraucht wurden. In diesen Fällen entfällt auch die Vorpflegezeit von 6 Monaten. Ab dem 01.07.2025 gilt diese Leistungsausweitung für alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2. Gleichzeitig wird der „Gemeinsame Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege“ nach dem dann gültigen § 42a SGB XI auf 3.539 Euro angehoben.
Bei Verhinderungspflege wird eine Anzeigepflicht der Leistungserbringer gegenüber der Pflegekasse eingeführt, damit das Budget nach den §§ 39 und 42 SGB XI stets zeitnah geprüft werden kann.
Ebenfalls zum 01.01.2024 (praktische Wirkung ab 01.07.2024) wird mit dem § 42a SGB XI (ab 01.07.2025 umbenannt in § 42b SGB XI) eine völlig neue Leistungsart in das SGB XI eingeführt. Die Versorgung Pflegebedürftiger bei Inanspruchnahme von Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen durch die Pflegeperson soll dann durch Mitaufnahme des Pflegebedürftigen in der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung sichergestellt werden. Alternativ ist auch eine Unterbringung in einer zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtung möglich, wobei stets die vollen Kosten (also auch für Behandlungspflege, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten) zuzüglich erforderlich Fahr- und Gepäcktransportkosten übernommen werden. Pflegegeld wird während dieser Zeit nicht gezahlt.
Die in § 43c SGB XI genannten Prozentsätze für den erweiterten Zuschuss während der vollstationären Pflege werden ebenfalls erhöht.
Das Pflegeunterstützungsgeld (§ 44a SGB XI) wird ab dem 01.01.2024 für zehn Arbeitstage je Kalenderjahr gezahlt.
Für die Pflegekassen entsteht durch das neue Gesetz noch eine wesentliche Änderung in ihrer Informationspflicht. So wird den Versicherten auf Wunsch regelmäßig jedes Kalenderhalbjahr eine Übersicht über die Leistungen, die sie in Anspruch genommen haben, und deren Kosten übermittelt. Auf Anforderung erhalten Versicherte von den Pflegekassen Auskunft darüber, welche Leistungsbestandteile im Einzelnen durch Leistungserbringende zur Abrechnung bei der Pflegekasse eingereicht worden sind. Laut Gesetzesbegründung muss der/die Versicherte den Antrag auf Unterrichtung nur einmalig stellen, um die oben genannten Informationen dann künftig regelmäßig zu erhalten.
Obwohl das Gesetz erhebliche Mehrarbeiten für die Pflegekassen vorsehen, wird der Verwaltungskostenanteil gesenkt (Mittelwert der Leistungsausgaben und Beitragseinnahmen von 3,2 auf 3 %).
Änderungen im Beitragsrecht
Erhebliche Mehraufwände dürften auch mit den Änderungen im Beitragsrecht verbunden sein.
So gilt ab dem 01.07.2023 für die Pflegeversicherung ein Beitragssatz von 3,4 % sowie ein Zuschlag für Kinderlose von 0,6 %. Für Eltern gelten folgende Beitragssätze:
- für Eltern mit einem Kind 3,40 %,
- für Eltern mit zwei Kindern 3,15 %,
- für Eltern mit drei Kindern 2,90 %
- für Eltern mit vier Kindern 2,65 %
- für Eltern mit fünf und mehr Kindern 2,40 %.
Die Elterneigenschaft sowie die Anzahl der Kinder sind in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle (Anmerkung: z. B. dem Arbeitgeber) von Selbstzahler*innen gegenüber der Pflegekasse nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind. Hier ist von einem recht hohen Verwaltungsaufwand auszugehen.